Energie Plus – ein Haus voller Energie im Biosphärenpark Wienerwald

Die Geschichte eines Users, der ein Niedrigenergiehaus im Wienerwald zu einem Plusenergiehaus umgebaut hat. Durch Einsatz von Photovoltaik und Erdwärmepumpe gewinnt das Haus jährlich mehr Energie, als es bezieht.

Die Entscheidungsfindung für den Bau oder Erwerb eines Eigenheimes ist für viele Familien eine große Herausforderung – eine gewisse Portion „Mut zum Scheitern“ ist für Normalverdiener bei Vertragsunterzeichnungen obligatorisch. Zumindest aus finanzieller Sicht hat sich der Kauf dieses schlüsselfertigen Niedrigenergiehauses im Jahr 2009 als guter Weg herausgestellt: die Anschaffungskosten sind nach dem Prinzip „what you see is what you get“ auch für weniger geübte Bauherren kalkulierbar, versteckte Kostenfallen oder wirtschaftlich ruinöse Zusatzwünsche im Zuge des „Häuselbauens“ blieben somit aus. Auch ist das Verstehen und Interpretieren von Bauplänen und Renderings nicht für alle Erdenbürger ein von Geburt erworbenes Grundverständnis, man kauft mit dem Bauplan die oft zitierte „Katze im Sack“. Eine Immobilie zu besichtigen und „Ja“ zu sagen war zumindest für mich bedeutend einfacher. Naturgemäß kommen spätestens im Zuge des Einrichtens und Möblierens des neuen Eigenheimes Bedürfnisse, die zuvor nicht bedacht wurden.

Der Start zum Plusenergiehaus-Umbau

Neben baulichen Verbesserungen und Ergänzungen war spätestens nach einem unerwarteten Schaden an der Heizungsanlage der bereits länger gewachsene Wunsch beschlossene Sache: nämlich ein Plusenergiehaus umzusetzen – also künftig mehr Energie zu produzieren, als wir selber verbrauchen. Die Neuverlegung der Erdwärmeanlage in Form eines Sondenfeldes mit 12 Unterflur-Wärmetauschern im Jahr 2010 sollte für zumindest 30 Jahre die Möglichkeit garantieren das auf drei Ebenen etwa 200 Quadratmeter große Haus ganzjährig perfekt zu temperieren. Die installierte Wärmepumpe verbindet dabei die geniale Möglichkeit, die Fußbodenheizung auch zu einer Kühlung zu invertieren: die Betondecken können bei Bedarf im Sommer etwas gekühlt werden. Im Gegenzug erhalten die Bewohner des wohltemperierten Hauses dafür warmes Wasser im Boiler. Eine geniale „win-win“ Situation für die Sommerfrische zu Hause!

Der nächste wesentliche Schritt zum gesteckten Ziel war die Errichtung einer geeigneten Energieproduktion. Im November 2011 – knapp vor dem Auslaufen der staatlichen Investitionsförderungen – wurde die erste Photovoltaik Anlage mit 4,8 kW Peak installiert. Damit konnten im Folgejahr bereits 60 Prozent des Gesamtenergiebedarfs abgedeckt werden. Die Quote des Eigenverbrauchs wurde durch die spätere Realisierung eines 6,4 kW Batteriespeichers deutlich erhöht. Die hohen Investitionskosten des Speichers amortisieren sich auch langfristig nicht, aber die Gewissheit eine kleine Netzersatzanlage bei Stromausfall zu besitzen, und darüber hinaus dem Ziel der 100 Prozent erneuerbare Energie aus Eigenproduktion zu verwenden näher gekommen zu sein, stellt doch ein hohes Maß an Zufriedenheit her.

Die Partnerschaft mit der Energiewirtschaft als zugleich Energieabnehmer und Energieverkäufer würde ich als „Zweckehe“ beschreiben. Strom hat keine Gefühle, und im Zweifelsfall zahlt der Kunde immer die Rechnung! Erwähnenswert als stetiger Beobachter der Marktsituation ist auf jeden Fall, dass sich die Netzgebühren innerhalb von zehn Jahren verdoppelt haben und der Energiepreis sich mehr als halbiert hat. Somit ist es für einen Sonnenkraftwerksbetreiber immer sinnvoll bei Tageslicht zu kochen, zu heizen, das Geschirr zu spülen, Wäsche zu waschen usw. Kurz: Disziplin ist gefragt! Hat man die nicht, so sollte der Batteriespeicher groß dimensioniert sein, um den Eigenverbrauch zu optimieren und den Zukauf von Energie niedrig zu halten.

Photovoltaik, Vollwärmedämmung und Dachflächenfenster

Einige Jahre lang hatten die Etats für Familie und Gartengestaltung Priorität. Somit erfolgte die Erweiterung der Photovoltaik Anlage auf 9 KW Peak erst im Jahre 2016. Die neuen polykristallinen Photovoltaik-Module weisen einen wesentlich höheren Wirkungsgrad auf, womit die verfügbaren Restdachflächen optimal genutzt werden konnten. Dank der Ost – Süd – West Orientierung der vier montierten Teilgeneratoren wird die kontinuierliche Energieerzeugung von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang gewährleistet. Durch smarte Intelligenz werden Verbraucher gezielt gesteuert und der produzierte Strom entsprechend verteilt.

Fast zeitgleich mit dem Photovoltaik Ausbau wurde der Kaltdachboden mit 30 Zentimeter Vollwärmeschutz ausgekleidet, sowie die Nordfassade des Hauses um vier Meter „versetzt“. Das alte Mauerwerk aus je 20 Zentimeter Ziegelit und Wärmedämmung blieb natürlich erhalten. Lediglich das ehemalig wandparallele Carport-Dach wurde zur Vollgarage aufgewertet und neu eingehaust.

Die architektonische Gestaltung und eine familienfreundliche Nutzbarkeit sollte bei all diesen technischen Maßnahmen nicht zu kurz kommen: nicht weniger als zehn ostausgerichtete Dachflächenfenster durchfluten ein Kinderzimmer, das Badezimmer und das Stiegenhaus großzügig mit Morgensonne. Eine dank Raumspartreppe erschlossene Schlafempore im Dachgiebel dient als ein den Sternen naher Rückzugsort für die ältere Tochter. Die ergänzte Garage erhält dank weiterer sieben Doppeldachflächenfenster Ateliercharakter. Eine Holz-Stahltreppe führt zu einem Wintergarten-Loft, das zusätzlichen Stauraum für nicht frostfeste Terrassenpflanzen bietet.

Das 2019 angeschaffte E-Auto und sein in die Jahre gekommene Diesel-Vorgänger parken fortan elegant, lichtdurchflutet und frostfrei. Der Wärmebedarf für den Wohnbereich wurde Dank in Summe 40 Zentimeter Wärmedämmung und bis zu 45 Zentimeter Wandaufbau im Bereich Dach und Nordfassade/Garage weiter reduziert, die Heizsaison weiter verkürzt. Somit sind wir das dritte Jahr in Folge Energie+ in unserem „Tusculum“ – unserem Lieblingsort frei nach dem römischen Philosophen Markus Tullius Cicero.

Was bedeutet das: unser Haus produziert durchschnittlich 7,3 MW elektrischen Strom pro Jahr, die Bewohner nutzen davon nur 7,1 MW für Heizung, Warmwasser und Haushalt. Der Akku des E-Autos wird dank der smarten Wallbox mit Sonnenstrom umweltfreundlich geladen. Über 25.000 Kilometer um lediglich vier Euro extern bezogene Energie!

Auch das Kinderspielhaus ist dank eines Photovoltaik Moduls von einem österreichischen Crowd Funding Projekt „energieautark“. Das Thema „Energiewende“ und „Sustainability“ wird somit auch von den jüngsten Familienmitgliedern täglich gelebt. Ihr ehrgeiziger Vater wird sich diesem Thema weiter widmen und gemeinsam mit anderen Energiepionieren und Energy+ Nerds verfügbare Lösungen evaluieren und implementieren.

Bauherr: Mag. Gerhard Junker
Bauführung: Fa. Dibau GesmbH. Purkersdorf
Zimmerei/Spenglerei/Dachfenster: Fa. Pany, Katzen
Haustechnik und Heizung: Raiffeisen Lagerhaus Neulengbach
Elektrotechnik: Elektro Scharf, Neulengbach
PV Anlagen: Solare Energie GesmbH., Waidhofen/Ybbs (2011), 10hoch4, Wiener Neustadt (2016)


Gerhard Junker ist Musik-und Kommunikationswissenschaftler und als Lehrbeauftragter in Wien und als Kulturmanager in NÖ tätig. Nebenberuflich schenkt er als Donaukapitän seinen Kunden wertvolle Freizeit auf seinem Boot Tusculum.


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