Lass keine Krise ungenutzt verstreichen!

Ein User erzählt, wie er durch eine Krise und mit viel Arbeit und Mut zu seiner Traumimmobilie gelangte.

Am Anfang war die Wut. Dass wir 1999 vor der bösen Situation standen, ein großes Gartengrundstück, das wir gepachtet hatten und in das wir Ideen, Schweiß und viel Zeit mit Urbarmachung, dem Bau einer schönen Gartenhütte, dem Anlegen eines Biotopes über zehn Jahre und dem Pflanzen vieler Obstbäume investiert hatten, aufgeben zu müssen. Nach ewigen Differenzen mit den betagten Eigentümervertretern – nach deren Weltanschauung alle Grundstücke ringsum einheitlich und nach deren Vorstellungen zu bebauen und in geraden Reihen zu bepflanzen waren – sahen wir uns gezwungen, das Paradies auf Zeit aufzugeben.

Die Grundstücksuche

Nie mehr auf anderer Besitzer Grundstück und nach deren Vorschriften Arbeit und Zeit zu investieren war fortan bis heute die heilige Devise! Bargeld war von jeher knapp, ein starker Wille und das genaue Ziel vor Augen aber nicht. Am letzten Tag vor einer Süditalienreise mit damaliger Freundin sah ich zufällig das Grundstück unserer Träume – unweit von Graz an einem Ort, den ich kannte und wo Freunde lebten – in der Zeitung.

Die herrlichen Dörfer Apuliens, die bunten Fassaden, rote Mönchsnonnen als Dachziegel, die individuelle Architektur… So sollte die Welt und unser Haus einmal aussehen. Die am Strand in den Sand gezeichnete Skizze wurde abends eilig mit Bleistift auf Papier übertragen. Zurück in Graz Anruf beim Makler, das Objekt war noch verfügbar. Besichtigung. Kauf. Zum größeren Teil über Bankkredit, aber die Liegenschaften damals waren noch erschwinglich und ich verdiente gut. Als lebenslanger Büromensch, mit 7.000,- Euro an Bargeld, aber ausreichend Mut, die Träume umzusetzen sowie einer Anzahl fachkundiger FreundInnen und KollegInnen, die zusagten, aus mir in einigen Monaten einen Profi zu machen, sollte es klappen. Ein befreundeter Architekt erarbeitete aus meiner Skizze den Einreichplan. Nach beinharten Preisverhandlungen mit dem örtlichen Baumarkt und zugleich dem Baumeister als Pauschallieferant und Statiker ging es los.

Der Bau des mediterranen Wohnhauses

Grundkriterien waren nachhaltiges Bauen eines mediterranen Wohnhauses und ein Öko-Garten. Alle Möglichkeiten standen offen, denn außer einem Haufen Brennnesseln war nichts vorhanden am Grundstück. Obstbäume setzte ich schon vor Baubeginn, inzwischen konnten sie bereits anwachsen. Vorausschauend der Gedanke, besser in die Höhe als in die Breite, denn endlos wird sich unbegrenzte Flächenverdichtung nicht fortsetzen können und eines Tages wird die Steuer nach verdichteter Fläche berechnet – daran führt kein Weg vorbei.

Drei gute Fachbücher mit dem Titel „Das selbstgebaute Haus“ wurden erworben, bibelgleich studiert und auswendig gelernt. Außerdem wurden alle entfernten Bekannten um Fachhinweise gefragt und die guten Freunde um ein, zwei Tage „Schulung vor Ort“ gebeten. Je zwei, drei Tage wurde ich als Helfer eingeschult, ab dann ging es im Selbstbau weiter. Autodidaktisch und „learning by doing“, simultan. Ganz nach der Devise: „Was du nach zehn Stunden nicht kapierst, das kapierst du nie!“

Die Vorteile liegen auf der Hand. Fast nur Materialkosten, außer Estrich, Dachstuhlkonstruktion und Außenverputz, wo Spezialmaschinen nötig sind. Aber Keller mauern, Bodenplatte und Decke schalen, Leitungen einstemmen, Geschosse mauern, Fenster und Türen einschäumen, Gesimse selbst gießen, Fliesen und Parkett verlegen, Wände verputzen usw. – vor nichts darf der „Selfman“ zurückschrecken.

Meine beiden braven Töchter, damals etwa 12 und 14 Jahre alt, wurden über die Jahre ebenso zu Fachfrauen bei den körperlich leichteren Tätigkeiten, wie Böden verlegen, Balken streichen, Zimmer ausmalen usw. Damals verbrachte ich 50 bis 60 Wochenstunden im Büro, um laufend das nötige Kleingeld zu haben und zeitweise Kindermädchen zu bezahlen, da ich einige Zeit auch alleinerziehender Vater war. Zeitgleich verbrachte ich jede freie Minute auf der Baustelle und das fünf Jahre lang. Alles in allem war das keine leichte Aufgabe, wenn ich heute so zurückblicke. Aber von nichts kommt eben nichts.

20 Jahre nach Baubeginn

Inzwischen bin ich mit meiner Traumfrau verheiratet und als Reisebuchautor und Reise-Vortragender unterwegs, wodurch wir viel in der ganzen Welt herumkommen. Ausnahmslos überall haben die Menschen schöne architektonische Details an ihren Häusern oder in den Gärten. Hinweise darauf findet man bei uns an ganz vielen Stellen. Natürlich wird man nie fertig, auch wenn es am Haus selbst kaum mehr etwas zu tun gibt. Wer seinen Lebensraum als nachhaltiges Gesamtkunstwerk versteht, dem werden Ideen und Arbeit nie ausgehen. Speziell, wenn man aus spannenden Regionen und Ländern wie Süditalien, Georgien, Siebenbürgen, Marokko, Indien oder Laos zurückkehrt. Außer Bücher über die meisten dieser Länder zu verfassen, setze ich auch vieles, was die Augen erfasst haben, architektonisch um.

Seit zwei Jahren leben wir übrigens in Wohngemeinschaft mit einem befreundeten indischen Studenten und lernen ständig voneinander. Ein Wohnbereich für eine Studentin oder Künstlerin wäre übrigens noch frei.

Und heute, 20 Jahre nach Baubeginn? Wir sind den Eigentümern von damals dankbar, dass sie mich solange bis zur Weißglut gereizt und schließlich zum Neubeginn bewegt haben. Nie wäre all das hier sonst entstanden. „Lass keine Krise ungenutzt verstreichen!“ meinte George Soros an anderer Stelle einmal, und der muss es schließlich wissen. Inzwischen gebe ich selbst Rat und Infos für vieles am Bau sowie für nachhaltige Gartengestaltung, den Bau von Gartenhäusern oder Carports. Zu diesen Themen sind derzeit auch zwei Bücher von mir am Markt. (Siehe unter Ehnsperg: „Bau dir dein Gartenhaus. Planen, bauen organisieren“. Und – „Selber Bauen, Selber Pflastern. Das Eigene Carport!“ ). Ausgenommen sind immer statische Berechnungen, elektrische Anlagen oder Steuerungselemente, da muss immer der zertifizierte Profi ran!


Patrik Ehnsperg lebt mit Gattin Olga Filipovich in Ludersdorf, nahe Graz, wo er als Gemeinderat tätig ist und seine internationalen Erfahrungen oder Gestaltungsmöglichkeiten immer wieder einbringen kann.


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