Ein Fertigteilhaus selber machen – geht das? Ein User aus Oberösterreich zeigt wie er gemeinsam mit seiner Familie und Freunden ein Fertigteilhaus in Eigenregie gebaut hat.
Ein eigenes Haus mit Garten besitzen, in dem meine Familie und ich leben können, so wie es uns gefällt. Davon habe ich irgendwie schon immer geträumt. Als junger Erwachsener wird man allerdings sehr schnell mit der Realität konfrontiert, wenn man sein Gehalt als Berufseinsteiger mit den Kosten für ein neues Eigenheim vergleicht. Also sollte es wohl beim Traum bleiben – vorerst.
Die Idee
Wie das Leben so spielt, sind es oft Zufälle, die alles verändern können. Bei mir war es eine TV-Dokumentation, nach der ich das Thema Hausbau in völlig anderem Licht sah. Sie handelte von einer Familie, die ihr Haus mit sehr viel Eigenleistung aus alternativen und natürlichen Baustoffen gebaut hat. Dafür verwendeten sie Holz, Strohballen und Lehm.
Ich erinnere mich noch genau, wie aufgeregt ich danach war. Ist es tatsächlich möglich, mit so einfachen Materialien ein vollwertiges und gut isoliertes Haus zu bauen? Das konnte ich im ersten Moment gar nicht richtig glauben.
Trotzdem habe ich voller Begeisterung meiner Familie davon erzählt, die durchwegs aus Bastlern, Selbermachern und Heimwerkern besteht – also aus Menschen, die eigentlich Kreativität und Vorstellungskraft besitzen. Doch sie waren sich schnell einig: „Lass den Blödsinn, bau lieber gscheit!“ Das bedeutet in Oberösterreich so viel wie: Verwende Ziegel als Baumaterial für dein Haus.
Aber ich war von dieser Bauweise so fasziniert, dass ich alles darüber gelesen habe, was mir in die Finger kam und ich habe auch ein paar Bauherren besucht, die ihr Haus mit Stroh gebaut bzw. gedämmt haben. Meine anfänglichen Bedenken hinsichtlich Brandverhalten und Ungeziefer haben sich schnell in Luft aufgelöst. Ein gepresster Strohballen hat dieselbe Brennbarkeitsklasse wie Holz und Insekten finden weder Nahrung noch Lebensraum im verbauten oder verputzten Strohballen.
Mit der Zeit wurde ich mir immer sicherer: „Das funktioniert! Das will ich auch machen.“
Die Planung
Die Vorstellung, dass es eine Bauweise gibt, mit der wir es schaffen könnten, ein günstiges Haus zu bauen, motivierte meine Frau und mich sehr. Bei der gesamten Planung haben wir darauf geachtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Schnell wurde klar: Nur durch die Wahl der Bauweise alleine, wird unser Haus nicht unbedingt günstiger.
Mit der Zeit wurden wir zu wahren Spezialisten, alles zu hinterfragen, was in der Bauwelt heute so üblich ist, um danach abzuwägen, ob wir das überhaupt brauchen.
Die größte Herausforderung bestand darin, Dinge wegzulassen, ohne das Gefühl zu haben auf etwas zu verzichten. Tatsächlich haben wir einiges gefunden, das wir vereinfachen konnten.
Das Ergebnis ist ein geräumiges Haus, mit einem offenen, rechteckigen Grundriss und einem einfachen Satteldach – ohne Vorsprünge, Erker und Gauben. Bewusst verzichtet haben wir auf Keller, Garage, komplexe Elektrik, aufwändige Fenster und teure Ausstattung von Badezimmer und Küche. Geheizt wird unser Haus von einem wasserführenden Wohnraum-Pelletofen. Damit haben wir unsere Wünsche nach einer vollautomatischen Heizung und nach einem Kamin im Wohnraum mit nur einem Heizgerät erfüllt.
Der Bau
Die einfache Bodenplatte samt Anschlüssen haben wir mit einem lokalen Bauunternehmen und ein paar Freunden als Bauhelfer in nur einer Woche hinbekommen.
Die darauffolgende Zeit hat besonders viel Spaß gemacht. In der sogenannten Abbundhalle der Zimmerei (hier bereiten die Zimmerleute ihre Bauteile unter trockenen und optimalen Arbeitsbedingungen für die Montage auf der Baustelle vor), durften wir Hand in Hand mit den Holzbauprofis zusammenarbeiten. Mit der Familie und dem Freundeskreis haben wir hier zwei Wochen lang gesägt, geschraubt, getackert und Stroh gestopft. Fast 1.000 Strohballen haben wir als Dämmung verarbeitet.
Ein hoher Vorfertigungsgrad hilft, beim Hausbau die Kosten zu reduzieren. Deshalb haben wir nicht nur die Innen- und Außenwände unseres Hauses vorgefertigt, sondern auch das komplette Dach inklusive Strohballen-Dämmung in zwölf Elementen vorbereitet. Wir haben sozusagen selbst mitgeholfen, unser ganz individuelles Fertigteilhaus mit nachhaltiger Dämmung zu bauen.
Bei der Montage des Hauses hätte viel Eigenleistung keinen Sinn gemacht. Jetzt waren die erfahrenen Zimmerleute und ein Kranfahrer am Zug. Sie haben das ganze Haus samt regensicherem Unterdach in nur vier Tagen aufgestellt.
Die Montage des Hauses Fotos: Johannes Maringer
Im Vergleich zur Planung und der Bauvorbereitung, verging die erste Bauphase richtig schnell. In nur fünf Wochen Bauzeit war der komplette Rohbau inklusive Dacheindeckung und Fenstern fertig.
Beim Innenausbau und auch bei der Fassade haben wir, wo es nur ging, wieder selbst Hand angelegt. Anstelle des ursprünglich angedachten Lehmputzes haben wir uns dann doch für Gipsfaserplatten und einen Kalkstreichputz entschieden. Das hatte den Vorteil, dass wir alle Arbeiten, angefangen vom Beplanken der Wände, übers Spachteln und Schleifen, bis hin zum Aufbringen des Streichputzes in Eigenleistung ausführen konnten. Aufgeteilt in drei Etappen haben wir schließlich 22 Monate “reine Bauzeit” benötigt, bis alles fertig war.
Der Innenausbau Fotos: Johannes Maringer
Während der Bauzeit habe ich in Teilzeit gearbeitet, um genügend Zeit für Eigenleistungen zur Verfügung zu haben. Das hatte den zusätzlichen Vorteil, dass ich immer vor Ort war, wenn Handwerkstätigkeiten ausgeführt wurden.
So gab es auch keine Fehler, die hinterher reklamiert werden mussten, sondern ich konnte die Dinge immer direkt mit den Fachleuten besprechen und sie hatten sofort einen Ansprechpartner, wenn es Fragen gab.
Das Wohngefühl
Mit vielen offenen (nicht versiegelten) Holzoberflächen an den Böden und Decken, sowie Gipsfaserplatten und Kalkstreichputz an den Wänden, ist das Raumklima in unserem Haus ein ganz besonderes. Wir spüren das jedes Mal aufs Neue, wenn wir nach Hause kommen und die Haustür öffnen. Hier fühlen wir uns so richtig wohl.
Fotos: Johannes Maringer
An kalten Wintertagen lieben wir es auf der Couch zu kuscheln und den lodernden Flammen im Wohnraum-Pelletofen zuzusehen. Im Sommer bietet die große Holzterrasse mit Glasüberdachung einen idealen Platz zum Chillen und Grillen.
Wir sind froh, diesen lehrreichen und anstrengenden Weg, mit viel Eigenleistung und Eigeninitiative, gegangen zu sein. Und es war sicherlich kein Fehler, dass wir uns für die Planung sehr viel Zeit genommen haben. Bis jetzt ist uns noch nichts aufgefallen, das wir lieber anders gemacht hätten.
Johannes Maringer ist technischer Angestellter und lebt mit seiner Familie in Oberösterreich. In seinem Blog bau-einfach beschreibt er alle Bauschritte zu seinem Holzhaus im Detail und teilt seine Hausbau-Erfahrungen und seine Ideen zum günstigen Bauen mit angehenden Baufrauen und Bauherren.
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