Eine Userin erzählt, wie sie und ihre Familie Haus und Garten gemeinsam geplant und gebaut haben.
Die Sehnsucht
Wir waren Großstädter, aber mit der Geburt unserer Tochter begann die Sehnsucht nach einem eigenen Garten, zumindest für das Wochenende. Ich träumte von einem dicht bewachsenen Garten mit naturbelassener Wiese, vielen Bäumen, Blumen und einem Gemüsebeet. Mein Mann träumte von einem Haus mit ausreichend Platz für eine Werkstatt. Den U-Bahn-Anschluss hätten wir gerne weiterhin vor der Haustür, für einen möglichst schnellen Weg in die Arbeit. Alle möglichen und unmöglichen Varianten spielten wir gedanklich durch: Wochenendhäuschen oder Villa? Wiener Speckgürtel oder nördliches Waldviertel? Alter Bauernhof oder schlüsselfertiges Fertigteilhaus? Während wir überlegten, kam unsere Tochter ins Kindergartenalter, und unsere Dachterrasse in der Wiener Wohnung musste für unsere Wünsche herhalten. Immer mehr Blumentöpfe schleppte ich in das alte Haus ohne Lift in den 5. Stock, Kletterpflanzen rankten sich um die Rauchfänge. Mein Mann sägte Holzlatten und bastelte eine Saunahütte auf der Terrasse.
Die Entscheidung
Wir erfuhren von der Planung des Bahnhofs Tullnerfeld in Niederösterreich. Einige Jahre würde der Bau dauern, aber dann wäre man innerhalb von 20 Minuten im Wiener Stadtzentrum. Die Grundstückspreise rund um den geplanten Bahnhof waren zu diesem Zeitpunkt noch günstig. Mein Mann recherchierte sämtliche Angebote, wählte eines aus und zeigte es mir mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Unser Traum von einem großen, leistbaren Grundstück mit altem Baumbestand am Rande eines kleinen Wäldchens mit Aussicht über Felder und Wiesen, so weit das Auge reicht, mit direkter, öffentlicher Schnellverbindung nach Wien lag vor uns. Wir unterschrieben den Kaufvertrag für die etwas mehr als 1.000 Quadratmeter, ohne uns ein zweites Grundstück angesehen zu haben.
Vier Jahre später, im Herbst 2012, sollte der Bahnhof eröffnet werden, zur gleichen Zeit wie unsere Tochter in die Volksschule kommen würde. Damit war der Termin für den Umzug klar definiert, alles andere war offen. Fürs Erste errichteten wir eine Gartenhütte aus dem Baumarkt und verbrachten etliche Sommerwochenenden auf dem eigenen Grundstück. Wir erkundeten die Umgebung, lernten die Nachbarn kennen, saßen abends bei gegrillten Würsteln auf unserer Wiese und überlegten, ob wir hier leben wollten.
Die Planung
Wir begannen mit konkreten Hausbauplänen und verzweifelten an der Form des Grundstücks. Das nahezu dreieckige Stück Land in leichter Hanglange neben der Straße ließ es nicht zu, ein herkömmliches Haus hinzustellen. Egal in welcher Ecke wir uns ein klassisches Haus vorstellten, es sah komisch aus. Über unseren Freundeskreis lernten wir einen Architekten und eine Gartengestalterin kennen. Beide sahen sich das Grundstück an und waren begeistert von der Idee, zuerst den Garten zu planen und dann das Haus. Oder besser: beides gemeinsam aus einem Guss.
Vorgaben an die beiden kreativen Köpfe waren unsere persönlichen Bedürfnisse, also Anzahl und Zweck der Räume und dass der bestehende Baumbestand so gut wie möglich erhalten bleibt. Das Gartenhäuschen, in dem wir später eine Außensauna einrichten wollten, war genauso ein Fixpunkt wie der finanzielle Rahmen. Sonst hatten sie komplett freie Hand. Nach etwa einem Monat stand unser Haus als Modell vor uns, und wir zogen gedanklich sofort ein.
Der uns präsentierte Entwurf zeigte ein ebenerdiges, langgestrecktes Haus. Als wäre es ein Widerspruch, aber die verbaute Fläche machte den Grünraum größer und wertete ihn auf. Das Haus bildet Richtung Norden die Sicht- und Lärmschutzwand für sich selbst und seinen Garten. Durch die raumhohe Verglasung des zentralen Wohnraums mit offener Küche und Esstisch sind alle Jahreszeiten im Haus präsent.
Die naturbelassene Lärchenholzfassade schmiegt sich mit den weinroten Fassadenelementen an die Umgebung an. Die zwei großen, jahrzehntealten Bäume säumen an der Grundstücksspitze die Einfahrt und bleiben als wichtige Schattenspender, der Nussbaum bildet den zentralen Punkt im Garten.
Der Bau
Ein Jahr vor dem Einzug erfolgte der Spatenstich für Fundament und Keller, die Außenwände des in Holzriegelbauweise vorgefertigten Hauses wurden etwa zwei Monate später innerhalb weniger Tage errichtet. Wir übernahmen das Haus als leere, zirka 145 Quadratmeter große Halle. Wir hatten uns in den Kopf gesetzt, beim Innenausbau vieles selbst zu machen. Das sparte eine Menge Geld und potenziellen Ärger mit Handwerkern – und es schuf eine unglaubliche Verbundenheit mit diesem Haus. Nach neun Monaten intensivster Wochenendarbeit auf der Baustelle hatten wir mehrere Tonnen Rigipsplatten verarbeitet, jeden Meter Kabel selbst in der Hand gehabt und kannten jede Schraube persönlich. In dieser Zeit erlebten wir Müdigkeit und Erschöpfung in einer neuen Dimension, aber der Erfolg, dieses Projekt im partnerschaftlichen Konsens innerhalb des definierten Zeit- und Kostenrahmens in dieser Qualität realisiert zu haben, macht uns bis heute glücklich.
Das Leben
Das Haus von Beginn an gemeinsam mit dem Garten zu planen, erwies sich rasch als beste Idee für das gesamte Projekt. „Hier ziehe ich nie wieder aus!“, verkündete unsere Tochter bereits wenige Tage nach dem Einzug. Nach Hause zu kommen, zaubert uns immer ein Lächeln ins Gesicht, egal wie anstrengend der Arbeitstag gewesen sein mag. Im Sommer arbeiten wir als Ausgleich zum Beruf im Garten, gestalten und pflanzen jedes Jahr ein weiteres Eck.
Wir genießen die Kräuter und das Gemüse aus dem eigenen Anbau und trinken abends ein gutes Glas Grünen Veltliner von einem der vielen Weinbaubetriebe in der Nachbarschaft. Im Winter spendet der Holzofen im Wohnzimmer oder die Saunahütte Wärme. Dank der großen Fenster versäumen wir keinen einzigen Sonnenstrahl im oft nebeligen, aber deswegen nicht weniger liebenswerten Tullnerfeld. (Susanne Buchberger, 2.5.2019)
Susanne Buchberger ist Wirtschaftspädagogin und HR-Professional und arbeitet als Interim-Managerin. Die Planung erfolgte durch Hubert Hartl und Ulrike Seher.
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